Wir – der eine von uns ein Psychotherapeut, der andere ein geistlicher Begleiter – legen dir mit dem Herzenskompass ein Hilfsmittel in die Hand, mit dem du dich auf den Weg machen kannst. Natürlich haben wir nicht alles selbst erfunden, was du im Herzenskompass entdecken wirst. Jörg schöpft aus den Erfahrungen der klinischen Psychologie und Psychotherapieforschung, Andreas knüpft an die Geschichte Gottes mit dem Menschen an, die sich über Jahrtausende erstreckt und sich in der christlichen Tradition niedergeschlagen hat. Wir haben es – wenn uns unser Vorhaben gelungen ist – nur in zeitgemäßer Weise vereinfacht und verbunden. ...
Dein Gefühlsleben ordnen mit dem Herzenskompass
Wer ein geordnetes Gefühlsleben hat, fühlt sich wohl und zu Hause in sich selbst. In ihr oder ihm wohnen viele angenehme Gefühle: Glück, Freude, Verbundenheit, Mitgefühl, Liebe – Entspannung, Gelassenheit, Geduld, ein Gefühl der Freiheit – Geborgenheit, Widerstandskraft, ein Gefühl von Stärke und Sicherheit. Ein geordnetes Gefühlsleben macht vieles im Leben leichter. Es gibt dir Energie für deine Aufgaben. Es macht dich zu einem angenehmen Menschen. Es hilft dir, großzügig und liebevoll zu sein. Außerdem kann man sich mit einem positiven Gefühlsleben besser auf Risiken einlassen. Denn Leben heißt auch: verletzt und enttäuscht werden, Frust erleben, Misserfolge einstecken müssen. Solchen Erfahrungen kannst du besser standhalten, wenn sie auf ein geordnetes Gefühlsleben treffen. Du wirst dann weniger Angst haben, dich auf tiefe Beziehungen und lohnende Herausforderungen einzulassen. ...
Was ist ein positives Gefühlsleben? Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Es hängt von deiner Geschichte, deiner Persönlichkeit und deinen Zielen ab. Lege deshalb zu Beginn ganz persönliche Orientierungspunkte für deinen Herzenskompass fest.
Ausgangspunkte und Ziele für deinen Herzenskompass
Liebe
Der Gefühlsbereich Liebe ist geordnet, wenn folgende drei Dinge stimmen. Erstens erlebst du eine Befriedigung in den Beziehungen, die du gerade hast, in den Aufgaben, die sich dir stellen, und den Dingen, mit denen du täglich in Berührung kommst. Vielleicht nennst du das Glück, Freude, Dankbarkeit, Erfüllung oder auch anders. Zweitens klingen solche befriedigenden Erfahrungen in dir nach und bestimmen auch dann noch dein Gefühlsleben, wenn du allein bist oder gerade nichts Besonderes erlebst. Du bist also nicht abhängig von der Zuneigung anderer und von befriedigenden Erlebnissen, weil sich ein Gefühl der Erfüllung und Liebe in dir verankert hat. Drittens hast du auch ein Mitgefühl für Menschen. Du empfindest auch ihnen gegenüber ein Gefühl der Großzügigkeit und Verbundenheit, vielleicht sogar gegenüber Menschen, die dir auf Anhieb gar nicht liebenswert erscheinen. Du spürst außerdem eine liebevolle Motivation, dich einzusetzen. Die hilft dir, auch langweilige oder frustrierende Aufgaben zu erledigen.
Vielleicht kannst du es dir noch besser vorstellen, wenn ich dir zwei Beispiele gebe. Ich (Jörg) bin ein eher introvertierter Mensch. Wenn bei mir der Gefühlsbereich Liebe stimmt, emp finde ich ein stilles Glück, eine Zufriedenheit mit mir und der Welt. Von allem, was ich wahrnehme, gehen dann weitere kleine Glücksimpulse aus, von dem Baum, den ich durch das Fenster sehe, von meinem Körper, wenn ich mich einfach nur bewege, oder von einem Tisch, der eine schöne Holzoberfläche hat. Ich fühle mich geliebt von den Menschen, mit denen ich zu tun habe, auch wenn sie mir gerade kein Zeichen von Zuneigung geben. Wenn ich an andere Menschen denke, empfinde ich Verbundenheit oder Mitgefühl und spüre einen Impuls, ihnen etwas Gutes zu tun. In meinem Körper spüre ich eine Zugewandtheit, ich empfinde wie mein Gesicht, als würde es sich über die Blicke oder ein Lächeln mit anderen verbinden, genauso fühlen sich mein Brustbereich und meine Hände an.
Ein extrovertierter Freund von mir würde es ganz anders beschreiben, wenn sein Gefühlsbereich Liebe stimmt: „Ich spüre viel Energie im Körper, bin etwas überdreht, aber auf gute Weise. Ich denke an gute Erlebnisse, die richtig intensiv waren, und es fühlt sich toll an. Außerdem freue ich mich auf die Begegnungen und Erlebnisse, die bald kommen. Dann komme ich innerlich zur Ruhe und fühle mich einfach wohl. Ich komme sozusagen bei mir selbst an. Wenn ich an andere denke, habe ich die vielen Erlebnisse vor Augen, die wir schon hatten. Ich sehe viele Möglichkeiten, was wir noch gemeinsam erleben, tun, aufbauen können. Ich habe Spaß bei der Vorstellung, dass ich andere vielleicht zu etwas mitreißen kann, das ihnen guttut, und ihnen helfen kann, ihre Möglichkeiten zu entdecken.“
Du siehst: Ein Gefühl von Liebe und Erfülltsein fühlt sich für jeden anders an. Du kannst es leichter für dich beschreiben, wenn du dir eine Situation in Erinnerung rufst, in der der Gefühlsbereich Liebe richtig gut war. Wähle dazu besser keine Situation, die zu außergewöhnlich ist und die man nur selten erlebt, zum Beispiel deinen ersten Kuss. Wähle eine Situation aus deinem alltäglichen Leben, in der du dich einmal wirklich erfüllt und voller Liebe gefühlt hast. Wie war das genau? Spürst du auch deine Körperempfindungen dabei? Halte hier deine Gefühle und Empfindungen fest.
So geht es mir, wenn mein Gefühlsbereich Liebe stimmt: [Halte es in einer App, einem Heft oder dem Herzenskompass-Notizbuch fest.]
Deine Beschreibung muss nicht vollständig sein, du kannst sie später noch ergänzen. Nun gehen wir noch einen kleinen Schritt weiter. Vielleicht spürst du, dass du in diesem Bereich gerne noch etwas erreichen würdest, was du vielleicht noch nie erlebt hast. Unsere Lebensgeschichte und unsere Persönlichkeit schränken uns oft noch ein. Ich zum Beispiel habe als Kind gelernt, meine Gefühle zu kontrollieren. Wenn ich im Gefühlsbereich Liebe noch weiter wachse, werde ich noch intensivere Gefühle spüren. Ich werde vielleicht einmal vor Glück weinen oder auch die Bereitschaft spüren, mich anderen in meinen Gefühlen noch stärker zu zeigen. Das ergänze ich in meiner Beschreibung und mein Herzenskompass bekommt damit eine Zielrichtung, die über das hinausweist, was ich schon Gutes kenne.
Gibt es bei dir so etwas auch? Etwas, das sich andere in diesem Gefühlsbereich vielleicht von dir wünschen würden? Oder eine Ahnung, wohin Gott dich führen möchte, wozu er dich gerne freisetzen würde? Wenn dir etwas einfällt, ergänze es einfach in deiner Beschreibung.
Jetzt fragen wir noch umgekehrt: Wie sieht es in deinem Inneren aus, wenn der Gefühlsbereich Liebe nicht in Ordnung ist? In mir spielt dann das alte Lied der Rolling Stones in Dauerschleife: „I can’t get no satisfaction“. Ich bin wie abgetrennt von den Dingen, die mich sonst berühren und mir Freude machen. Mein Gehirn sucht nach Ersatzbefriedigungen. In Beziehungen bin ich distanziert und ziehe mich lieber zurück, besonders wenn andere etwas von mir wollen.
Mein extrovertierter Freund empfindet dagegen eine innere Leere, wenn sein Gefühlsbereich Liebe nicht stimmt. Er erlebt die Angst, etwas zu verpassen und leer auszugehen. Er hat den Impuls, sein Lebenstempo zu erhöhen, um mehr Gutes einzusammeln. Wenn er nicht aufpasst, verhält er sich in diesem Zustand in seinen Beziehungen fordernd.
Wie ist es bei dir?
So geht es mir, wenn mein Gefühlsbereich Liebe im Mangel ist: [Halte es in einer App, einem Heft oder dem Herzenskompass-Notizbuch fest.]
Nun lies deine Beschreibungen für diesen Gefühlsbereich. Vermutlich bist du gerade irgendwo zwischen einem ungeordneten und geordneten Gefühlsleben. Spüre genau, wie es dir hier gerade geht. Was brauchst du? Wohin möchtest du dich bewegen? Halte nun das, was dir auffällt, in einer Frage fest. Zum Beispiel: "Wie willst du, Gott, mich heute versorgen, wo ich so frustriert bin? Wie finde ich gegenüber Dieter wieder zu der Großzügigkeit und Herzlichkeit, die am Anfang unserer Freundschaft da war?"
Nimm nun deine Frage mit in eine geistliche Übung.